Über uns

Mein Name ist Tim Herwig und die Geschichte beginnt mit meiner Leidenschaft zum Bergsteigen. Bereits als junger Mensch arbeitete ich als Skilehrer für Blinde und Menschen mit körperlichen Einschränkungen und bildete einige Jahre für den hessischem Skiverband betroffene und Skilehrer:innen darin weiter („Re-Ski„). 2018 entwickelte ich das Konzept der „Berg über Kopf„, einer gemeinnützigen GmbH, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, Outdoorsport für Menschen mit Beeinträchtigungen möglich zu machen. Leider kam uns da Corona dazwischen.

2023: Beim Aufstieg über einen Schweizer Gletscher wird unsere Gruppe von einer Lawine erfasst. Aus Schnee wird Naturgewalt. Erstaunlich langsam werde ich mitgerissen, über Felsen gespült und in der Tiefe verschluckt. Ich rede nicht gerne davon. Wem soll man erzählen, was in diesen Minuten in einem vorgeht? Blau, bewusstlos und blutverschmiert graben meine Kameraden mich aus. Ich verdanke ihnen mein Leben. 5 Stunden terrestrische Bergung, eine Nacht unter Morphium auf einer Berghütte, der Flug ins Krankenhaus. Eine Erfahrung, die über das Vergessen hinaus geht. 

Mein Körper erholt sich innerhalb einiger Wochen, mein Geist versucht zu verstehen, meine Seele bleibt unter den Schneemassen vergraben. Seit Jahren beschäftige ich mich mit Trauma und gebe dazu u. a. ein Vertiefungsseminar an der Universität Freiburg. Was ich nun erlebe, steht in keinem Lehrbuch. Kein Essen schmeckt mir, auch auf dem Fahrrad „sehe“ ich statt Ampeln Szenen der Verschüttung. Die physiologischen Reaktionen meines Körpers auf seine Umwelt sind verändert. Angst, Wut, Aggression, Scham, Freude im schnellen Wechsel. Dazu Schlaflosigkeit, Wiedererleben in lebendiger Form, Übererregbarkeit. 

Wie soll ich zurück kommen in mein normales Leben?

In der Psychotraumatologie der Uni-Klinik Freiburg wird mir eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert. Die psychotherapeutische Begleitung ist hervorragend, die Arbeit am Trauma zäh. Für die Weiterbehandlung werden mir spezialisierte Krankenhäuser empfohlen. Ich scheue mich vor stationärer Behandlung.  Resignation. Dann eine Idee: Vielleicht versuche ich es mit Segeln? Damit verbinde ich viele positive Erinnerungen. Warm soll es sein, mit weitem Blick über das Meer, das Boot soll mich mit jedem Schaukeln daran erinnern, dass ich nicht mehr in völliger Stille und Dunkelheit einbetoniert bin. Leckeres Essen wollen wir kochen und der frisch gefangene Fisch könnte bestimmt auch in meinem Mund wieder schmecken. Eine kleine Gruppe sollen wir sein, ohne große Überraschungen. Viel wollen wir lachen und feiern, am Leben zu sein.

Sechs Wochen nach der Lawine segelte ich von Ajaccio, Korsika nach Sardinien. Nach einigen Tagen tauchte irgendwo aus dem Wasser meine Seele wieder auf. Als ich merkte, dass ich ins Hier und Jetzt zurück gekehrt war, weinte ich Tränen des Glücks. 

2022 begann ich eine Promotion in der Sportpsychologie an der Universität Freiburg, um zu erforschen, was Menschen nach einem Akuttrauma brauchen, um möglichst gut zu gesunden. Das Schicksal hat seinen Sinn für Ironie bewiesen. Nun habe ich eine Antwort am eigenen Leib erfahren: Segeln kann heilen!